
Stress bei Frauen
Von Dr. Christoph Theurer
30. Mai 2025
Mal ehrlich, wer fühlt sich eigentlich nicht gestresst? Stress ist ein Phänomen unserer Zeit, das fast jeden mindestens gelegentlich betrifft. Dabei sind die natürlichen Prozesse, die ablaufen, wenn wir gestresst sind, eigentlich hilfreich. Sie helfen uns, Schwierigkeiten zu überwinden, Lösungen zu finden und die ein oder andere Deadline einzuhalten.
Doch Stress ist nicht gleich Stress. Er wirkt sich bei Frauen und Männern unterschiedlich aus. Das hat biologische Ursachen, liegt aber auch an sozialen Faktoren wie der Rollenverteilung. Auch der Umgang mit Stress ist bei Frauen und Männern verschieden. Schauen wir uns an, wie sich Stress beim weiblichen Geschlecht äußert und wie Sie ihn bewältigen können.

Wie entsteht Stress bei Frauen?
Stress wird von sogenannten Stressoren ausgelöst. Studien zeigen, dass es bei Frauen häufig soziale Faktoren sind, die Stress hervorrufen können.
Beispiele für Auslöser von Stress bei Frauen sind:

eine schlechte Arbeitsatmosphäre

Ausgrenzung

Kritik
Fühlen wir uns überfordert, entsteht Stress. Der Körper schüttet daraufhin vermehrt das Stresshormon Cortisol aus. Dabei entspricht das Stressempfinden jedoch nicht immer dem Cortisolspiegel. So wurde beobachtet, dass Frauen in Stresssituationen oft weniger Cortisol ausschütten und sich doch gleich gestresst fühlen wie Männer in derselben Situation.1
Hormone und Stress
Wie sich Stress auf Frauen auswirkt, hängt mit hormonellen Einflüssen zusammen. Der Monatszyklus, die Einnahme der Pille, eine Schwangerschaft oder die Wechseljahre sind hier mögliche Einflussfaktoren. So ist etwa nachweisbar, dass während der ersten Zyklushälfte und bei hormoneller Verhütung weniger Cortisol ausgeschüttet wird.2

Arbeit + Haushalt + Kinder = Stress
Umfragen zufolge sind Frauen häufiger gestresst als Männer. So fällt es ihnen schwer, nach der Arbeit abzuschalten. Frauen haben zudem nach der Arbeit meist mit dem Haushalt, der Kinderbetreuung und organisatorischen Aufgaben zu tun. Man spricht vom sogenannten Mental Load (auf Deutsch etwa: mentale Belastung), der bei Frauen häufig höher ist als bei Männern.
Grund dafür ist, dass Männer zwar mitunter bei Alltagstätigkeiten helfen, der Überblick und die Organisation aber dennoch meist bei den Frauen liegen. Sie müssen an alles denken, planen, priorisieren und erinnern. Selbst bei einer insgesamt gleichen Arbeitszeit von Männern und Frauen kann fehlende Wertschätzung, etwa durch ausbleibende Entlohnung, Stress verstärken. Auf diese Weise wirken sich neben biologischen Faktoren auch Rollenbilder auf den Stresspegel aus.3
Stresssymptome bei Frauen
Bei gestressten Frauen werden im Gehirn die Areale aktiviert, welche die Emotionsregulation und Aufmerksamkeit betreffen.4 Dies wirkt sich unmittelbar darauf aus, wie sich Stress äußert.
Zu den Symptomen von Stress bei Frauen zählen:

Niedergeschlagenheit

Angstzustände

Verzweiflung

Selbstzweifel

Grübeln5
Symptome der Frau: Stressbauch
Hatten Sie schon mal vor lauter Stress Bauchschmerzen? Wenn wir gestresst sind, macht sich das oft im Bauch bemerkbar. Es kommt zu Blähungen, Verstopfung und Bauchweh. Die erhöhte Cortisolausschüttung hemmt den Appetit. Da würde man eigentlich erwarten, dass Stress rank und schlank macht, oder? Doch das Gegenteil ist der Fall. Bei chronischem Stress leidet nämlich das Essverhalten – wir ernähren uns schlechter und nehmen dadurch zu. Hinzu kommt anhaltend erhöhter Blutzucker und die Tendenz des Körpers, dass Fettreserven in den Körperstamm, also auch den Bauch, umverteilt werden – für schlechte Zeiten sozusagen.6

Auswirkungen von Stress auf Frauen
Stress hat Folgen für die Psyche und kann körperliche Beschwerden hervorrufen. Gestresste Frauen leiden häufiger unter:

Essstörungen

Kopfschmerzen

Magenbeschwerden

Müdigkeit

Schlafstörungen

chronischen Schmerzen

Depressionen7
Dass Frauen sensibler auf Stress reagieren als Männer, zeigt sich unter anderem daran, dass Depressionen und posttraumatische Belastungsstörungen doppelt so häufig bei Frauen auftreten.8
Herzerkrankungen durch Stress
Stresshormone können besonders bei Frauen die Durchblutung des Herzens stören. Stress führt bei Frauen daher häufiger zu Herzanfällen als bei Männern. Mithilfe des sogenannten Gender-Scores wurde gezeigt, dass Herzinfarktpatienten und -patientinnen mit mehr typisch weiblich empfundenen Verhaltensweisen ein höheres Risiko haben, einen weiteren Infarkt zu erleiden.9 Das heißt aber nicht, dass Männer von Herzproblemen verschont bleiben. Chronischer Stress kann auch bei ihnen kardiovaskuläre Erkrankungen begünstigen.10
So gehen Frauen mit Stress um
Im Durchschnitt reagieren Frauen sensibler auf Stress. Sie nehmen aber auch ihre Symptome ernster11 und scheuen sich in der Regel nicht, offen über Stress zu sprechen.12 Bei Depressionen oder einem Burnout lassen sie sich schneller behandeln.
Dabei suchen Sie den Kontakt mit Gleichgesinnten, um die Probleme gemeinsam bewältigen zu können. So hat etwa eine österreichische Studie nachweisen können, dass Frauen mit Stresserfahrungen zu mehr Empathie neigen und sich besser in andere Menschen hineinversetzen können, während ihre männlichen Leidensgenossen sich tendenziell eher egozentrisch verhalten.13
Bei beiden Geschlechtern beobachtet man oft, dass die Stressoren nach dem Motto „Augen zu und durch!“ akzeptiert werden. Besonders in Berufen, die heute noch männlich dominiert sind, haben Frauen oft das Gefühl, sich beweisen zu müssen, und dass der damit verbundene Stress eben dazu gehört.

Was hilft gegen Stress bei Frauen?
Stress und die damit verbundenen Belastungen muss niemand einfach hinnehmen. Es gibt eine Reihe von Maßnahmen und Angeboten, mit denen Sie Ihren Stress bändigen können. Wie eine Forschergruppe der Universität Bochum herausgefunden hat, hilft Frauen oftmals bereits die Umarmung eines geliebten Menschen, um eine stressige Situation zu entspannen. Da haben Frauen einen klaren Vorteil gegenüber Männern – bei Männern konnte kein beruhigender Effekt einer Umarmung nachgewiesen werden.14
Frauen und Stress: so überwinden Sie die Überlastung
Neben pflanzlichen Arzneimitteln sollten Dauergestresste nach den Ursachen für Ihre Belastung suchen und Veränderungen im Alltag umsetzen, um auf Dauer zu mehr Ruhe zu finden.
- Eigenes Wohlergehen hat Vorrang: „Wie geht es mir?“ – das ist die Frage, die Sie sich regelmäßig stellen sollten. Frauen neigen dazu, das Wohlergehen anderer über ihr eigenes zu stellen. Ihre seelische und körperliche Gesundheit ist jedoch mindestens genauso wichtig. Gehen Sie also regelmäßig in sich und beobachten Sie, wie es um Ihr Wohlbefinden steht.
- Stress zugeben: Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung. Gestehen Sie sich ein, dass Sie gestresst sind, und dass sich von allein nichts daran ändert. Damit ebnen Sie den Weg für Veränderungen.
- Stressanalyse: Damit Sie Maßnahmen ergreifen können, um Ihren Stress zu reduzieren, muss klar werden, was genau Sie eigentlich stresst. Wenn Ihre Antwort „alles“ ist, schauen Sie genauer hin und identifizieren Sie die verschiedenen Aufgaben, Personen oder sonstige Herausforderungen, die Ihnen Stress bereiten.
- Weg mit den Stressoren: Auch wenn Sie die Stressauslöser genau benennen können, ist es meist gar nicht so leicht, gegen sie vorzugehen. Überlegen Sie sich, welche realistischen Schritte dabei helfen können, den oder die Gründe für Ihren Stress zu entschärfen. Setzen Sie dabei Prioritäten und machen Sie einen Plan für die täglichen Herausforderungen. Räumen Sie Zeit für Pausen und Auszeiten ein und geben Sie nach Möglichkeit Aufgaben ab.
- Entspannungstechniken: Mit speziellen Verfahren können Sie Ihrem Geist und Ihrem Körper dabei helfen, sich zu entspannen. Probieren Sie zum Beispiel Progressive Muskelentspannung oder Autogenes Training aus. Damit erlangen Sie Kontrolle zurück und können Ihren Stress besser managen.
Quellen:
1 https://www.openscience.or.at/de/wissen/medizin-mensch-ernaehrung/2017-02-14-frauen-und-maenner-reagieren-verschieden-auf-stress/
2 https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/169283/
https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC6430619/
3 https://www.beobachter.ch/gesundheit/medizin-krankheit/gendermedizin-weshalb-frauen-sensibler-auf-stress-reagieren
4 https://www.scinexx.de/news/biowissen/frauen-haben-aktivere-gehirne/
5 https://www.apotheken-umschau.de/gesund-bleiben/psyche/wie-frauen-stress-erleben-834311.html
6 https://taz.de/Typologie-der-Baeuche/!5688437/
7 https://www.beobachter.ch/gesundheit/medizin-krankheit/weshalb-frauen-sensibler-auf-stress-reagieren-316105
8 https://www.sueddeutsche.de/wissen/stressforschung-warum-maenner-relaxter-sind-1.960319
9 https://www.beobachter.ch/gesundheit/medizin-krankheit/gendermedizin-weshalb-frauen-sensibler-auf-stress-reagieren
10 https://www.aok.de/pk/magazin/koerper-psyche/psychologie/psyche-und-herzbeschwerden-wie-haengt-das-zusammen/
11 https://www.beobachter.ch/gesundheit/medizin-krankheit/gendermedizin-weshalb-frauen-sensibler-auf-stress-reagieren
12 https://www.apotheken-umschau.de/gesund-bleiben/psyche/wie-frauen-stress-erleben-834311.html
13 https://medienportal.univie.ac.at/uniview/forschung/detailansicht/artikel/maenner-und-frauen-reagieren-unterschiedlich-auf-stress/?no_cache=1
14 https://www.spektrum.de/news/umarmungen-mildern-stress-aber-nur-bei-frauen/2022451